Im Leben gibt es Augenblicke, die unvergesslich sind. „Exquisite Momente“ nannte sie ein Freund. Sie haben etwas sehr Individuelles, tief Bewegendes – und sie sind rar. Mit Ludwig verbinden mich, seinen Vater, ganz persönlich drei dieser Momente. Der Reihe nach:
Ludwig ist ein Einheitskind, geboren im November 1989. Er war ein zartes Kind, vorsichtig, sensibel, jedoch von robuster Gesundheit, hatte immer Ideen, ging kreativ an seine Umwelt heran und quatschte ohne Unterlass. Ja richtig – ohne Unterlass. Jeder in seinem Umfeld konnte bereits damals spüren, dass hier ein Mensch heranwuchs, der zu großer Zugewandtheit fähig sein würde. Ich begleitete ihn damals irgendwann zur Schuluntersuchung. Nur wir befanden uns im Wartezimmer, die Tür zur Praxis geschlossen. Ich hatte ihm vorher erklärt, was ihn, was uns erwartete. Er rutschte auf meinen Schoß und seine kleine Hand suchte die meine. Sein Herz pochte bis zum Hals. Ein kleiner Kerl, der in einer unsicheren Situation Sicherheit suchte. Nur Väter können diesen exquisite Moment verstehen, verstehen, was er bedeutet. Der Ärztin erzählte Ludwig sofort in epischer Breite, dass er und seine Schule jetzt endlich zusammenkommen müssten.
Ludwigs Schulkarriere war eher so mittel. Zu innerlicher Unabhängigkeit erzogen, stellten sich so einige Ecken und Kanten heraus, die sich mit seiner Lebenseinstellung ganz und gar nicht vertrugen. Subordination? Nein, danke! Alles Normative steht zur Disposition. Ganz klar. Der eine oder andere Schulwechsel säumte seinen Weg. Damals begann er zu rappen. Er reimte schnell und gut, die ersten verhaltenen Aufnahmen entstanden. Hip-Hop hörbar umsetzen an seinem Rechner; mit einem E-Piano erfüllte ich ihm seinen größten Wunsch. Er nahm Klavierunterricht. Auf der akademischen Feier seines Mit-Ach-und-Krach-Abiturs sah ich von ganz hinten zu, wie er sein Zeugnis in Empfang nahm, endlich, nach all diesen Mühen und diesem Stress bis zuletzt. Dann setzte er sich ans Klavier und spielte vor 450 Leuten – und sang mit klarer Stimme. Dieser exquisite Moment entschädigte für alles.
Völlig logisch, dass er etwas mit Kunst und Musik studieren wollte. Die Uni schrieb eine Zulassungsprüfung vor, die er mit Bravour bestand. Kulturwissenschaften mit dem Hauptfach Jazzgesang. Guter Abschluss. Seither singt er, spielt Klavier, arrangiert, komponiert und produziert. Er arrangierte eines Tages Bill Withers‘ „Grandma’s Hands“ für Piano, Stimme und zwei Geigen um und performte das mit Freunden auf einer privaten Veranstaltung. Das Publikum begann im Takt zu klatschen, Ludwig stand auf, drehte sich vom Klavier weg und zettelte einen sängerischen Dialog und Wettstreit mit den Geigen an – sauber, kraftvoll und mit sich steigernder Dramaturgie. Ein exquisiter Moment, der Begeisterung hervorrief. Ich weiß nun: Ludwig macht genau das, was er machen soll. Er wohnt und arbeitet in seiner Traumstadt Berlin. Einheitskind eben.
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